TRACTO INSIDER
Im Fokus: Der Zentrale Hebel im Glasfaserausbau

DER ZENTRALE HEBEL IM GLASFASER-AUSBAU
Ein Gespräch mit dem Leiter für Recht & Regulierung beim
VATM, Dr. Frederic Ufer.
Egal, ob im privaten Umfeld oder in der Wirtschaft – die Bedeutung einer schnellen und stabilen Internetverbindung hat in der Corona-Pandemie nochmal eine völlig neue Dimension erlangt.

Schülerinnen und Schüler sind darauf angewiesen, auch zuhause lernen zu können, Arbeitnehmer und Arbeitgeber verlassen sich auf digitale Tools, um das Tagesgeschäft möglichst effektiv weiter führen zu können. Und nicht zuletzt ist für die zukunftsweisende digitalisierte und automatisierte Industrieproduktion eine State-of-the-art Internetverbindung unverzichtbar. Zuverlässiges und vor allem schnelles Internet ist zu einem unabdingbaren Werkzeug geworden, um die neuen Herausforderungen zu meistern.

Der Bund fördert deshalb seit 2018 Gebiete, in denen kein marktgetriebener Breitbandausbau stattfindet, mit maximal 30 Millionen Euro. Bis 2025 soll Deutschland flächendeckend mit Gigabit-Internet versorgt werden. Aktuell scheint dieses Ziel in Gefahr, weil der Ausbau nur schleppend voran geht.

Nach wie vor bestehen allerdings große Unterschiede hinsichtlich der Verfügbarkeit von schnellem Internet. Nicht nur zwischen Stadt und Land – sondern auch zwischen den Industrienationen. Deutschland befindet sich im Vergleich im unteren Drittel. Das geht aus dem OECD Länder-Ranking von 2019 hervor. Woran liegt das? Die INSIDER-Redaktion hat dazu Dr. Frederic Ufer befragt.
Herr Dr. Ufer, die Bundesregierung hat eindeutige Ziele im Hinblick auf den flächendeckenden Glasfaserausbau bis 2025 formuliert. Liegen wir aktuell in Deutschland auf Kurs?

Das ganze Land flächendeckend mit Glasfaseranschlüssen zu versorgen, ist eine Aufgabe für eine ganze Dekade. Aktuell nutzen etwas weniger als zwei Millionen Haushalte einen „echten“ Glasfaseranschluss, also mit Anschluss bis zum Gebäude oder in die Wohnung. Es wurden aber bereits fünf Millionen Anschlüsse von den Netzbetreibern verlegt. Mehr als 60 Prozent der Hausanschlüsse werden also von den Kunden nicht in Anspruch genommen, obwohl die Möglichkeit zum superschnellen Surfen mit Gigabit-Bandbreiten gegeben ist. Gleichzeitig wären Millionen von Bürgern froh, wenn sie statt langsamer DSL-Anschlüsse Zugriff auf Gigabit-Bandbreiten hätten. Die Corona-Krise hat gezeigt, dass zukünftig kaum einer am schnellen Internet vorbeikommt. Das Marktpotential für den Glasfaserausbau ist also riesig: Es gilt nicht nur 43 Millionen Privathaushalte zu erschließen, sondern auch viele tausend Unternehmen. Einer der Gründe übrigens, warum aktuell sehr viel Geld nach Deutschland fließt. Finanzinvestoren, Banken, Versicherungen, selbst Pensions- und Kirchenfonds suchen nach Möglichkeiten, die enormen Renditen aus dem Kapitalgeschäft in langfristige Anlagen zu investieren. In vielen anderen Ländern ebbt diese Investitionsphase bereits ab, weil der Infrastrukturausbau dort bereits viel weiter fortgeschritten ist. In Deutschland werden nun laufend neue Gesellschaften und Allianzen gegründet – zuletzt sorgte beispielsweise die Gründung einer Glasfaserallianz von Telefonica und dem Versicherer Allianz für Aufsehen, die gemeinsam ein Joint-Venture gegründet haben und bis zu 5,5 Milliarden Euro investieren wollen. Oder der schwedische Investor EQT und der kanadische Pensionsfonds OMERS, die die Deutsche Glasfaser von den bisherigen Eigentümern KKR und Reggeborgh übernommen und mit Inexio aus dem Saarland zusammengeführt haben. Allein dieses Unternehmen wird sieben Milliarden Euro für Glasfaser-Infrastruktur in Deutschland „unter die Erde“ bringen.
Was braucht es, um den Anschluss an die anderen Ländern wieder herzustellen?

Das Ziel der Bundesregierung bezieht sich präzise auf sogenannte Gigabit-Anschlüsse – das umfasst auch Breitbandkabelanschlüsse. Wenn man diese einbezieht, steht Deutschland gar nicht so schlecht da. Die alten Fernsehnetze decken über 70 % der Fläche ab und lassen sich relativ schnell aufrüsten – so betrachtet verfügt das Land bereits über knapp 30 Millionen Gigabit-Anschlüsse.


Eine erhebliche Diskrepanz zwischen Flächenabdeckung von Gigabit-Anschlüssen und tatsächlicher Nutzung also. Welche Gründe sehen Sie für dieses Missverhältnis?

Die Diskrepanz zwischen verfügbaren und tatsächlich genutzten Anschlüssen zeigt: Wir haben immer noch eine zu geringe Nachfrage der Kunden nach richtig schnellen Anschlüssen und ein sehr niedriges Preisniveau bei den althergebrachten Kupfer-Anschlüssen.

Wer allerdings einmal einen Gigabit-Anschluss erlebt hat, möchte nicht mehr auf Bandbreiten im zweistelligen Bereich unterwegs sein. Auch Corona mit Home-Office und Lockdown beschleunigen diese Entwicklung nun. Die Unternehmen nehmen eine anziehende Dynamik wahr.

Welche Herausforderungen gibt es bei der Verlegung der neuen Anschlüsse?

Die knappen Tiefbauressourcen und die Kosten auf den letzten Metern können ein Hindernis sein. Da wir in Deutschland keine Leitungen an den Fassaden hängen sehen wollen, wie das in vielen anderen Ländern üblich ist, wird die oberirdische Verlegung wenig genutzt. Denkmal- und Naturschutz sowie der Föderalismus und Bürokratieaufwand tun ihr Übriges. Auch die Akzeptanz alternativer Verlegetechniken lässt aktuell noch zu wünschen übrig. Hier sind wir als Branchenverband sehr aktiv, um Verbesserungen für die Anbieter zu erkämpfen.

Sie haben gerade alternative Verlegetechniken erwähnt. Wie schätzen Sie in diesem Zusammenhang den Stellenwert von grabenlosen Bauverfahren ein?

Alternative Verlegetechniken sind einer der zentralen Hebel beim Glasfaserausbau. Es gibt innovative Unternehmen wie die Deutsche Glasfaser, die völlig ohne die klassische Grabenbauweise auskommen, um das hohe Ausbautempo zu halten. Insgesamt tun sich die Tiefbauunternehmen und auch die TK-Anbieter immer noch schwer mit einem umfassenden Einsatz dieser zeit- und kostensparenden Anwendungen. Auch weil viele Bauämter immer noch mit den Alternativen fremdeln und zu wenig Kenntnis über deren riesige Vorteile haben.

Was heißt das für die Erreichung der Ziele 2025?

Ohne eine massive Ausweitung von Spülbohrung, Erdrakete, Pflugverfahren und Trenching werden wir die Gigabitziele jedenfalls nicht erreichen. Die Bundesregierung hat dies erkannt und bereitet mit der laufenden Novelle des Telekommunikationsgesetzes und Normierungsaktivitäten die Möglichkeit zum flächendeckenden Einsatz alternativer Verlegetechniken vor.

Vielen Dank, Herr Dr. Ufer.
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